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Steuern & Recht
18. Januar 2016
Kein Regressverzicht im Rahmen eines Nachbarschaftsverhältnisses

Kein Regressverzicht im Rahmen eines Nachbarschaftsverhältnisses

Wer einem Nachbarn im Rahmen einer Gefälligkeit leicht fahrlässig einen Schaden zufügt, für den die Gebäude- und Hausratversicherung des Nachbarn eintritt, kann von der Versicherung in Regress genommen werden. Aus dem Nachbarschaftsverhältnis ergibt sich in diesen Fällen keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz wie beispielsweise in der Gebäudeversicherung bei einem Mietverhältnis. Darauf hat das Oberlandesgericht Hamm in einem aktuellen Urteil hingewiesen.

Im Streitfall hatte ein Versicherer seinem Versicherungsnehmer aus einer Gebäude- und Hausratversicherung ca. 7.300 Euro für einen im August 2013 eingetretenen Wasserschaden erstattet. Nun nimmt der Versicherer den Nachbarn seines Versicherungsnehmers (Beklagter) in Regress.

Dieser hatte für den Versicherungsnehmer während dessen Urlaub die Bewässerung des Gartens vorgenommen. Dabei lief der Teich des Versicherungsnehmers in dessen Garten über. Das überlaufende Wasser drang in die Kellerräume des Hauses des Nachbarn ein und verursachte dort den Wasserschaden. Zuvor hatte der Beklagte absprachegemäß den nachbarschaftlichen Garten mit Wasser aus dem Teich bewässert und den Teich sodann über einen an der Außenwasserstelle angeschlossenen Schlauch aufgefüllt. Nach Aussage des Versicherers hatte der Beklagte dabei vergessen, den Wasserhahn nach dem Auffüllen des Teiches wieder abzusperren, sodass der Teich überlaufen konnte.

LG Münster: Nachbarschaftliches Verhältnis mit Mietverhältnis vergleichbar

Das Landgericht (LG) Münster hat die Regressklage des Versicherers abgewiesen. Zur Begründung führte es aus, dass der einem Nachbarn aus leichter Fahrlässigkeit zugefügte Schaden, den eine Gebäude- und Hausratversicherung des Nachbarn ausgleiche, keinen Regressanspruch der Versicherung gegen den Schädiger begründe. Ebenso wie im Verhältnis des Gebäudeversicherers eines Vermieters zum haftpflichtversicherten Mieter, bei dem die Rechtsprechung mit Rücksicht auf das langfristig angelegte Mietverhältnis eine Haftungsbeschränkung annehme, müsse eine solche auch für das gute nachbarschaftliche Verhältnis gelten, das ebenso wie ein langfristiges Mietverhältnis von Spannungen freigehalten werden sollte, die durch die Verpflichtung der Parteien zur Unterstützung von Regressansprüchen ihrer jeweiligen Versicherer entstehen könnten.

Regressanspruch des Versicherers besteht

Die Berufung der klagenden Versicherung war erfolgreich. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat der Klägerin den geltend gemachten Regressanspruch zuerkannt. Das Rechtsverhältnis des Beklagten zu seinen Nachbarn sei zwar nicht Gegenstand einer vertraglichen Beziehung gewesen. Die Übernahme der Bewässerung des Gartens eines Nachbarn während dessen Urlaubsabwesenheit gehöre zu den alltäglichen, unentgeltlich erbrachten Gefälligkeiten im Rahmen einer intakten nachbarschaftlichen Gemeinschaft. Allerdings hafte der Beklagte deliktsrechtlich für den verursachten Schaden. Er habe es versäumt, den Wasserhahn nach dem Wiederauffüllen des Teiches zu schließen. Sein Versehen sei die einzige ernst zu nehmende Erklärung für den Schaden und begründe den Vorwurf leicht fahrlässigen Verhaltens.

Keine Anhaltspunkte für Haftungsausschluss

Für einen zwischen dem Beklagten und seinem Nachbarn für den Fall einer leicht fahrlässigen Schädigung vereinbarten Haftungsausschluss gebe es keine Anhaltspunkte. Nach den übereinstimmenden Angaben des Beklagten und seines Nachbarn habe man sich hierüber keine Gedanken gemacht. Entgegen der Auffassung des Landgerichts lasse sich allein aus dem guten Nachbarschaftsverhältnis keine Haftungsbeschränkung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz ableiten. Eine solche Haftungsbeschränkung erkenne die Rechtsprechung nur bei Gebäudeversicherungsverträgen zwischen dem vermietenden Hauseigentümer als Versicherungsnehmer und seiner Gebäudeversicherung an. Sie sei nicht auf andere Fallgestaltungen zu übertragen.

Regressverzicht ist eng zu fassen

Der hinter der Annahme eines Regressverzichts stehende Gedanke – die Vermeidung der Belastung eines Mietverhältnisses – könne nicht ohne weiteres auf andere Konstellationen wie zum Beispiel die Beschädigung des Hausrats des Vermieters durch den Mieter angewandt werden. Das Gebrauchsrecht des Mieters beziehe sich auf das Gebäude und nicht auch auf den Hausrat des Vermieters, für dessen Versicherungsprämien der Mieter zudem in keiner Weise aufkomme. Anders bei der Gebäudeversicherung, bei der der Mieter über den kalkulierten Kaltmietzins oder durch die gesondert erhobenen Nebenkosten an der Prämie beteiligt sei. Wenn man das Mietverhältnis von Belastungen aus einem Regress freihalten wolle, müsse man beispielsweise auch dem Kraftfahrzeug-Kaskoversicherer und dem Krankenversicherer des Vermieters einen Regressverzicht zumuten, wenn der Mieter versehentlich das Kraftfahrzeug des Vermieters beschädige oder den Vermieter körperlich verletze. Einen derartig weit gefassten Regressverzicht lehne die Rechtsprechung zu Recht ab. Deswegen sei auch kein Regressverzicht bei Schadenfällen im Rahmen eines Nachbarschaftsverhältnisses anzuerkennen. (kb)

OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2015, Az.: 9 U 26/15